Stadtexpedition #2: Bildung
Vom Wissen, Teilen und Weitergeben.
08.10.2014 16:00 - 19:00 | Treffpunkt: Druckraum | 16., Redtenbachergasse 3 | Erreichbarkeit: U3 Station Ottakring, 5 min Fußweg | Stadt-Praxis

Die Stadtexpeditionen finden bei jedem Wetter statt. Die Fortbewegung erfolgt mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrrad. Unkostenbeitrag: Freiwillige Spende für die besuchten Initiativen!

Verstärkt entstehen in Zeiten des neoliberalen Rückzugs des Staates basisorientierte Räume und Initiativen, die auch als solidarische Antwort auf die ansteigende Unsicherheit in der Versorgung mit sozialen Ressourcen gelesen werden können. Die Stadtexpedition #2 führt zu alternativen Räumen der Wissensproduktion, um Erfahrungen auszutauschen und Fragen nach dem Selbstverständnis, dem politischen Potential und den Ambivalenzen, die in der tagtäglichen Arbeit entstehen, aufzuwerfen.


Miss Balthazar´s Laboratory

In der urbanen Wissensgesellschaft spielt Bildung eine immer größere Rolle. Sie ist einer der zentralen Faktoren für eine gesicherte Lebensführung und die Teilhabe an gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen. Der Zugang zum dafür benötigten Wissen gestaltet sich für viele Menschen zunehmend schwierig: Gerade in Österreich wird der Bildungsstatus weitgehend vererbt, bestimmt das Geschlecht nach wie vor über die Art des Wissenserwerbes und sind Menschen wie etwa Asylsuchende komplett vom Bildungssystem ausgeschlossen. Darüber hinaus herrscht in der öffentlichen und medialen Sphäre ein ständiges Ringen um die Wissens-Hegemonie, um die Definition von Inhalten und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Immer mehr Menschen versuchen alternative Formen von Gesellschaft zu denken, Wege und Mittel zur alternativen Wissensproduktion zu schaffen oder den Zugang zu Bildung abseits etablierter Institutionen zu ermöglichen. Die Stadtexpedition #2: Bildung macht sich auf den Weg zu Wissensräumen einer anderen Art: Besucht werden Miss Balthazar´s Laboratory - ein feministischer Makers-Space als offenes Labor für Technik, kreative Prozesse und Wissensaustausch; PROSA – eine Initiative, die selbstorganisiert Schulabschlüsse für jugendliche AsylwerberInnen forciert, und der selbstverwaltete, nicht gewinnorientierte Druckraum, der die Wiederaneignung der Produktionsmittel in die tägliche Praxis übersetzt.

Druckraum
Seit 2005 existiert der selbstverwaltete, nicht gewinnorientierte Druckraum in 1160 Wien, Redtenbachergasse 3. Diverse politische, kulturelle und studentische Initiativen und Projekte nutzen die Möglichkeit zum Selbstkostenpreis Zeitungen, Magazine und Flyer zu drucken. Druckraum wird nicht als Serviceeinrichtung verstanden, sondern es soll Selbstorganisation gefördert werden. Manchmal gibt es deshalb auch Workshops im Bereich Druck, Layout, Buchbinden, usw.

PROSA Projekt Schule für alle
„PROSA – Projekt Schule für Alle!“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, all jenen, die in Österreich keine Möglichkeit auf Bildung haben, eine Chance zu geben sich auf die elementaren Schulabschlüsse vorzubereiten – besonders junge AsylwerberInnen erleben, dass ihnen das Recht auf Bildung in Östereich verwehrt wird. Seit Oktober 2012 werden Kurse zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss, sozialpädagogische Betreuung, Bildungs- und Berufsberatung und viel mehr angeboten. Organisiert werden auch ein Buddy Projekt, Nachmittagsbetreuung, Nachhilfe etc.

Miss Balthazar’s Laboratory
ist ein offenes Labor für Technik-Enthusiastinnen. Als Mischung aus Atelier, Hackerspace und Lab bietet Miss Balthazar’s Workshops und Veranstaltungen an, in denen sich weibliche Menschen Open Source Technologien aneignen und kreative Projekte umsetzen können. Im Vordergrund steht die gegenseitige Unterstützung bei der Konzeption, Entwicklung und Programmierung schräger Kunstprojekte, sowie der Austausch von Ideen und Wissen untereinander. Miss Baltazar’s Laboratory ist eine internationale NGO für Frauen, Mädchen, Transleute etc., die sich trauen mit neuen Technologien unorthodoxe Anwendungen zu erfinden.

Stadtexpeditionen

Der schrittweise, neoliberale Rückzug des Staates und die Demokratisierung der Schulden im Zuge der Finanzkrise bedingen für immer mehr Menschen eine erhöhte Unsicherheit im Zugang zu sozialen Ressourcen und öffentlichen Gütern wie Wohnraum, Mobilität oder Bildung. Auch in Städten wie Wien ist diese Botschaft mittlerweile angekommen. Zunehmend bilden sich Räume und Initiativen, die meist selbstinitiiert durch gemeinschaftliche Organisation die Versorgung mit bestimmten Ressourcen und Leistungen sicherstellen, und Möglichkeiten selbstbestimmter Stadtproduktion und solidarischer Handlungsalternativen erproben. Einige dieser Initiativen übernehmen auch vormals staatlich organisierte soziale Funkionen. Dabei pendeln die AkteurInnen oft zwischen Selbstbestimmung und Selbstausbeutung, gleichzeitig eröffnen sie mit ihrer Arbeit neue Perspektiven in der Produktion von Stadt als sozialen Raum und in der Gestaltung ihres urbanen Lebensumfeldes.

Zwei Stadtexpeditionen (6.10. und 8.10.) besuchen einige dieser Orte und sprechen mit den Menschen, die sie vorantreiben: Welche Motivation treibt die Menschen hinter solchen Initiativen? Wie tragen sie zur Sicherung einer alltäglichen Lebensführung bei? Wieviel Zeit, Geld, Wissen ist nötig, um solche Projekte auf die Beine zu stellen? Vor welche Schwierigkeiten, Hürden und Unsicherheiten werden sie gestellt? Wie offen sind diese Räume? Und: Wie verändern sie konkret die Stadt?

Konzeption und Durchführung: Anna Kokalanova und Gerhard Rauscher

Gerhard Rauscher
ist Raumplaner und Aktivist bei „Recht auf Stadt“ Wien. Er organisiert seit mehreren Jahren die Reihe „Stadt(er)forschung“, die sich in unregelmässigen Abständen der thematischen Erkundung von urbanen Räumen mit dem Ziel der Selbstaneignung von Stadt(geschichte) widmet.

Anna Kokalanova
ist Stadtplanerin und Stadtforscherin. Derzeit ist sie an der TU Wien als Koordinatorin vom future.lab tätig und arbeitet an ihrer Dissertation „Beyond Ghettoization: Arrival of Bulgarian Roma as a mode of urban transformation in Berlin, Sofia and Vienna“.


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