Wir Stadtgestalten
Stadtentwicklung zwischen Selbstorganisation und Sparpolitik
08.10.2014 19:00 | Festivalzentrale Mobiles Stadtlabor | 4., Karlsplatz/Resselpark | Erreichbarkeit: U1, U2, U4 Karlsplatz | Ausgang »Resselplatz« | Vortrag | Präsentation | Diskussion |

Vortrag: Alexa Färber (Hamburg) | Präsentation: Angelika Fitz (Wien) und Anton Lederer (Graz) | Moderation: Elke Krasny | Unkostenbeitrag: Freiwillige Spende

Die andauernde Finanzkrise hat das Vertrauen in die Lösungskompetenz staatlicher Organisationen international massiv erschüttert und die kommunalen Kassen geleert. Auf sich selbst zurückgeworfen, produzieren Stadtgesellschaften vielerorts Lösungen abseits staatlicher Institutionen, übernehmen Verantwortung für ihre Stadt und die Gestaltung des urbanen Lebensumfeldes. Zahlreiche Initiativen zeugen von einer vitalen Kultur der Selbstorganisation, die jedoch auch voller Ambivalenzen steckt. Wir Stadtgestalten präsentiert Stadtentwicklungsprojekte zwischen Selbstorganisation und Sparpolitik und befragt ihre Potentiale im Hinblick auf Möglichkeiten der Verstetigung und eine Neuorganisation der urbanen Gesellschaft.


Campo de Cebada

Das Interesse an der Gestaltung des urbanen Lebensumfeldes ist zwar nicht erst seit Anbruch der Finanzkrise von 2008 im Aufwind, wird international aber durchaus davon genährt. Zahlreiche Initiativen zeugen von einer vitalen Kultur der Selbstorganisation, die sich in immer weiteren Teilen der Gesellschaft entfaltet. In ihren alltäglichen Aushandlungsprozessen und praktischen Erprobungen von alternativen Formen des Miteinanders produzieren diese Initiativen auch wertvolles Wissen über Möglichkeiten einer selbstbestimmten Neuorganisation des städtischen Lebens.

Die Selbstorganisation als urbane Praxis steckt jedoch auch voller Ambivalenzen: Das Verhältnis zu den kommunalen EntscheidungsträgerInnen bleibt meist weitgehend ungeklärt, die Macht- und Verteilungsfrage unangetastet. Obwohl verstärkte Teilhabe und Selbstorganisation Schlüsselkonzepte heutiger Stadtentwicklungspolitik bilden, pendeln die ProtagonistInnen oft zwischen Selbstbestimmung und Selbstausbeutung. Gesellschaftspolitisch betrachtet besitzen diese Ansätze Potenzial für eine langfristige Veränderung des urbanen Miteinanders, der politischen Mitbestimmung und der generellen Organisation des städtischen Lebens. »Die heutige Stadt braucht kein Re-Design, sondern eine Re-Organisation«, verortet sinngemäß auch Peter Marcuse im Nachhall der uneigennützigen, selbstorganisierten Katastrophenhilfe im Zuge des Wirbelsturmes »Sandy« in New York. Wie und ob die aufkeimende Beteiligung der StadtbewohnerInnen an der Produktion von Stadt verfestigt werden kann, wer daran zu welchen Bedingungen teilnimmt und wie das produzierte Wissen das Verhältnis zu den offiziellen politischen und organisatorischen Institutionen verändern kann und wird, ist eine der zentralen Fragen für die zukünftige Stadtgesellschaft. Wir Stadtgestalten lädt mit dem Vortrag Low Budget Urbanism und den Präsentationen der Projekte We traders - Tausche Krise gegen Stadt und Annenviertel! Die Kunst des urbanen Handelns zu Diskussion und Wissensaustausch über Formen, Fragestellungen und Chancen einer Neuorganisation des städtischen Lebens.

Suomimo

Alexa Färber: Low-Budget Urbanität. Zur Transformation des Städtischen unter dem Imperativ des Sparens

Die multidisziplinäre Forschungsinitiative Low-Budget Urbanität untersucht seit 2012, ob der allgegenwärtige Imperativ des Sparens eine neue Formen urbaner Raumproduktion hervorbringt. Low-Budget Urbanität bezeichnet dabei das Gefüge aus Spardiktat (austerity urbanism), neuer Prekarität, Strategien der Sparsamkeit (wie etwa Selbstbau) sowie unternehmerisch oder ethisch motiviertes Haushalten wie es sich unter anderem in der sharing economy oder autonomen Infrastrukturprojekten zeigt.
Zum Thema Sparen und neoliberale Raumproduktion präsentiert die bis 26.10. im Hamburg Museum laufende Ausstellung Sparstadt: Zwischen Aushalten und Haushalten Forschungsergebnisse und Arbeiten von Studierenden der HafenCity Universität, eine Erkundung von Ursachen, Dimensionen und Gesetzmäßigkeiten des Sparens und seine Auswirkungen auf den urbanen Raum.

Alexa Färber
ist Professorin für Stadtanthropologie/-ethnographie im Studiengang Kultur der Metropole an der HafenCity Universität Hamburg.
http://low-budget-urbanity.de, http://www.hamburgmuseum.de

David Sirent

Angelika Fitz: We traders – Tausche Krise gegen Stadt

In der Krise steigt die Wertschätzung von Eigeninitiative und Teilhabe in Prozessen der Stadtentwicklung. Die Gründe für einen solchen Paradigmenwechsel sind durchaus unterschiedlich und reichen von leeren Kassen, die nach Low-Cost-Projekten rufen, bis zur sozialen Leere, die ein zu schnelles Wachstum hinterlassen kann – Stichwort mangelnder Bürgersinn. Das Projekt We-Traders. Swapping Crisis for City vernetzt Initiativen aus Lissabon, Madrid, Toulouse, Turin und Berlin in einer forschenden Ausstellung: Welche Praktiken haben sich bewährt? Was spricht für Hit-and-Run Strategien, was für eine institutionelle Verstetigung? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung? Und vor allem: Welches WIR konstitutiert sich in diesen kollaborativen Praktiken?

Angelika Fitz
ist Kuratorin sowie Autorin, entwickelt und realisiert Projekte an den Schnittstellen von Architektur, Kunst und Urbanismus.

J.J. Kucek

Anton Lederer: Annenviertel! Die Kunst des urbanen Handelns

Unter dem Titel Die Kunst des urbanen Handelns begreift < rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst in Graz seit dem Jahr 2009 seine Aktivitäten in der Nachbarschaft. Ein Verständnis für die Geschichte, die Gegenwart und die Veränderungen im Viertel herzustellen und den Herausforderungen im Zusammenleben einer vielfältiger werdenden Gesellschaft nachzugehen, sind die Triebfedern dieser Arbeit. Die Teilnahme lokaler AkteurInnen an städtischen Entwicklungen im Allgemeinen und an künstlerischen Produktionen im Speziellen werden im Rahmen zeitgenössischer Handlungsformen im öffentlichen und sozialen Raum erprobt. Das Projekt Annenviertel! widmete sich umfassend der unmittelbaren Nachbarschaft von < rotor > mit vielfältigen Nachbarschafts- und Stadtteil-Initiativen, einer abschließenden Konferenz und einer Publikation, die im Frühjahr 2014 erschienen ist.

Anton Lederer
leitet gemeinsam mit Margarethe Makovec < rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst.

Moderation: Elke Krasny
Kuratorin, Kulturtheoretikerin und Stadtforscherin, Wien.

Erreichbarkeit: U1, U2, U4 Karlsplatz, Ausgang: Resselplatz


KATEGORIEN
Vortrag | Diskussion

TAGS
Stadtentwicklung, Selbstorganisation, Sparpolitik, Verteilungsfrage, Gouvernementalität